Die Beschaffung bis 2030 und darüber hinaus – Teil 2

Inspiriert durch einen Artikel von Dave Jones, Leiter des Beschaffungswesens und Gründer von Proctopus, der Procurement-Online-Community.

Im ersten Teil unserer Artikelserie haben wir einen Blick in die Zukunft der Beschaffung gewagt und festgehalten, dass dem Einkauf eine Schlüsselrolle bei der Zukunftsgestaltung zukommt. Nun geht es uns um konkrete Fragen, die Sie sich diesbezüglich stellen sollten, und Themen, die relevant sind. Dass die Relevanz „neuer“ Themen in den Köpfen der Entscheider:innen angekommen ist, steht indes außer Frage.

So erklärte etwa eine große Mobilfunkgesellschaft bereits vor einigen Jahren, künftig 20 % der Kriterien für die Auswahl von Ausschreibungen auf die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit, Vielfalt und Integration ausrichten zu wollen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, wobei Sie darauf achten sollten, Ihre Ziele realistisch zu setzen. Machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht einhalten können.



Fragen stellen und Ziele definieren

  • Werfen Sie einen Blick in den Jahresbericht Ihres Unternehmens. Wird Nachhaltigkeit darin erwähnt? Hat es sich verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Zeitraums klimaneutral zu werden? Welche Unternehmenswerte vertritt es? Entwickeln Sie eine Vision – und identifizieren Sie schnelle, sichtbare Erfolge. Beginnen Sie mit den Zielen, die erreichbar sind.
  • Setzen Sie Prioritäten und planen Sie – führen Sie ein Brainstorming mit Ihrem Team und den wichtigsten Interessengruppen durch. Nochmal: Konzentrieren Sie sich auf Maßnahmen, die mit dem geringsten Aufwand die größten Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsagenda haben werden. Legen Sie einige Erfolgskennzahlen fest.
  • Fangen Sie an – bevor Ihre Stakeholder Sie intern dazu auffordern oder der Druck von außen unangenehm wird! Seien Sie der Zeit voraus, denn dies ist einer der wichtigsten Trends, der das Beschaffungswesen in Zukunft weiter verändern wird.
 

Verfügbarkeit: nach wie vor aktuell

Die Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen war und ist eine große Herausforderung für die Beschaffung und die Unternehmen. Ein Beispiel: Zu Beginn der Pandemie zum Beispiel beschlossen die Autohersteller, keine Komponenten mehr zu bestellen, weil sie keine Autos mehr verkauften. Parallel dazu boomte die Unterhaltungselektronikbranche, da die Menschen extrem schnell Laptops benötigten. Dies bedeutete, dass die Fabriken, die für Autos produzierten, mehr Geld mit PCs und Laptops verdienten. Als die Nachfrage nach Autos wieder anstieg, schlugen die Hersteller die Zulieferer bei den Komponentenpreisen regelrecht nieder und konnten die benötigten Komponenten nicht mehr bekommen, weil die Zulieferer in eine profitablere Branche abgewandert waren. Es ist wichtig, diese Aspekte in Ihre Planung einzubeziehen.

Einkauf mit Mehrwert

Der Einkauf muss sich bereits jetzt mit vielerlei Herausforderungen befassen, was ihm jedoch auch die Möglichkeit gibt, seine Rolle zu erweitern. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr nur auf Einsparungen, sondern auf der Schaffung von Mehrwert – angefangen bei der Beschaffung des Produkts – und auf der Abfederung von Inflationssteigerungen. Viele Jahre lang hatten wir sehr, sehr niedrige Inflationsraten – es gab zwar Preiserhöhungen, aber in der Regel wurden diese abgefedert, bevor wir preisbedingten Druck verspürten. Aber was wir jetzt haben, ist ein echter Teufelskreis, der noch eine ganze Weile andauern wird. Außerdem fordern die Menschen verstärkt Lohnerhöhungen. Die Preise ziehen überall an.

Der Einkauf besitzt (nicht nur) deshalb eine immens hohe Bedeutung für das Unternehmen und kann dessen Erfolg unmittelbar beeinflussen.
 


Agilität und Risiken

Schauen Sie sich Ihre Prognosen an. Was wurde bereits angeschafft? Was wollen Sie in den nächsten Jahren kaufen? Können Sie etwas davon höher oder niedriger priorisieren? Würde es Sinn ergeben, Lieferungen vorzuziehen? Können Sie den Luftweg statt des Seewegs nutzen? Ist Nearshoring für Sie eine Option? Aus der Risikoperspektive müssen Sie das Risiko Ihrer Ausgaben unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit und der Inflation bewerten. Ermitteln Sie diejenigen mit hohen Ausgaben und einem hohen Verfügbarkeits-/Inflationsrisiko. Schauen Sie sich diese risikoreichen Verträge an: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Lieferanten die Kosten für diese Verträge erhöhen? Können Sie mit ihnen Termingeschäfte abschließen? Überprüfen Sie historische Vertragserhöhungen.

Wenn Sie diese Risikobereiche identifizieren, können Sie sie entschärfen, bevor es zu spät ist. Arbeiten Sie mit Ihren Lieferanten an Vorlaufzeiten und Vorbestellungen. Erwägen Sie auch eine mögliche Erweiterung Ihrer Zuliefererbasis. Welches sind die Bereiche, die Sie selbst beeinflussen können? Und wie können Sie sie angehen, um Ihr Unternehmen am Laufen zu halten? Agilität im Einkauf, gute Beziehungen zu Geschäftspartnern und ein tragfähiges Lieferantenmanagement werden immer wichtiger.
 


Fazit: Lieferantenbeziehungen erweitern – Netzwerke nutzen

Arbeiten Sie also enger als je zuvor mit Ihren Geschäftspartnern zusammen – dies stärkt die Lieferantenbeziehungen und Sie gewinnen wertvolle Informationen für die Planung und Risikobewertung. Ein gutes Netzwerk ist entscheidend, ebenso wie die Erweiterung Ihrer Zuliefererbasis, denn wenn Sie allein von einer bestimmten Region oder einem bestimmten Zulieferer abhängig sind, besteht ein Risiko, wenn dieser Zulieferer nicht mehr liefern kann.

Wie dies alles vor dem Hintergrund der digitalen Transformation gewinnbringend möglich ist, erfahren Sie demnächst im dritten und letzten Teil dieser Reihe.